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Donnerstag, 6. Dezember 2012

Augenblick Afghanistan

Bildquelle:
http://www.mitwelt.org/


frau dr. christine stelzig
staatliches museum für völkerkunde
maximilianstr. 42
80538 müchen

16. november 2012


ausstellung "Augenblick Afghanistan"

sehr geehrte frau dr. stelzig,

als ich mich nach der ausstellungseröffnung bei ihnen verabschiedete, fragten sie mich, ob mir die ausstellung gefallen habe, was ich spontan mit 'nein' beantwortet habe. da der zeitpunkt und die umstände nicht günstig waren, die gründe für mein 'nein' zu nennen, will ich ihnen diese kurz schriftlich mitteilen, damit das nackte 'nein' nicht im raume stehenbleibt.

die ausstellung hat mich sehr verletzt. nach sieben jahren permanentem aufenthalt in afghanistan (ich hatte dort das goethe-institut geleitet) war ich gekränkt durch eine ausstellung, die schwerpunktmässig die präsenz der bundeswehr abbildet, einer organisation, die an der grausamen zerstörung von kultur und infrastruktur afghanistans durch westliche militärs beteiligt ist. afghanistan ist in seiner geschichte mit  politischen problemen immer selbst fertig geworden, und eine intervention von aussen endete immer in einer katastrophe. deutsche uniformen & waffen (deutschland gehört zu den mächtigsten waffenexporteuren) haben vor dem hintergrund auch unserer neueren geschichte in afghanistan nichts zu suchen. deutsches militär  hat die hundert jahre währende sympathie für unser land immens beschädigt. die deutschen sind nicht mehr freunde, sondern besatzer. es ist dabei irrelevant, ob die bundeswehr dort zivilisten tötet oder an aufbauprojekten beteiligt ist. letzteres sei anderen organisationen vorbehalten, die in ziviler kleidung in das land kommen. solche helfer können getrost ihren arm um ehrwürdige afghanen legen, aber nicht, wie auf einem foto der ausstellung, ein uniformierter in scheinheiliger geste.

die präsentation der bundeswehr in ihrer ausstellung und im katalog ist unausgewogen. mich (und viele meiner deutschen und afghanischen freunde, die die ausstellung gesehen haben) hat vor allem gestört, dass fast nur aus westlicher sicht berichtet wird. die zum teil hervorragenden fotos afghanischer fotografen vermitteln nur ein kleines gegengewicht zu den zensierten peinlichen fotos der bundeswehr (zensiertes sollte in deutschland in ernstzunehmenden veranstaltungen überhaupt tabu sein). als gegengewicht zu der gedenkecke gefallener deutscher soldaten hätte ich mir eine afghanische ecke gewünscht, z. b. mit der dokumentation der durch deutsche order zerstörten tanklastwagen und den dabei umgekommenen zivilisten, nicht zu vergessen, die erwähnung der kurz danach erfolgten beförderung des dafür verantwortlichen zum general! welch ein hohn den afghanen gegenüber!

die zwei oder drei einfühlsamen interviews von soldatinnen und soldaten im katalog hätten vollauf genügt. von den insgesamt 16 waren ein dutzend zu viel. es ist ermüdend und gleichzeitig erschreckend, das geistige niveau der verteidiger 'unserer freiheit am hindukusch' zu geniessen. solche beiträge sind auch dem bisherigen niveau des münchner völkerkundemuseums nicht würdig.

wo waren in ihrer ausstellung informationen des 'Darmstädter Signals', einem 1983 gegründeten  arbeitskreis von aktiven und ehemaligen offizieren und unteroffizieren aller teilstreitkräfte der bundeswehr, der 2007 verzweifelt, aber leider erfolglos versuchte, den kampfeinsatz von deutschen recce-tornadomaschinen in afghanistan zu verhindern?

mir würde noch mehr einfallen, aber ich möchte ihre zeit nicht allzu sehr in anspruch nehmen, wollte auch nur mein kurzes 'nein' noch etwas mit persönlichen eindrücken und informationen unterfüttern. 

mit freundlichen grüssen

hartmut geerken


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