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Donnerstag, 23. April 2015

Borrelien-Alarm bei Patient SSW802X

HA, Danke AOK 

Am Morgen ein Telefonanruf. Meine Kollegion ist am Apparat. Sie schaut ein wenig verstört drein. Diesen Blick kenne ich. Der besagt so viel wie: da ist schon wieder so ein bekloppter Künstler am Telefon, der seinen Namen nicht sagen will und sofort und ohne Gruß einen Hartmut Andryczuk vom Hybriden-Verlag sprechen will. Auch das noch: ein Künstler-Anruf am frühen Morgen. Hoffentlich nicht jemand, der mir sein Werk vorstellen will. In meinem "Alles-Scheiße-Zustand", wo ich 57jähriger mir wie 75 vorkomme, will ich niemanden sehen, niemanden sprechen und schon gar nicht treffen. 

Aber diesmal ist es anders. Die Dame stellt sich als eine Frau Soundso vom Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg vor. 

"Sind Sie Herr Andryczuk?"
"Ja."
"Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass sie eine Infektionskrankheit haben."
(Kurze Pause. Was könnte das sein: HIV, Hepatitis C, Ebola?).
"Es wurden Antikörper gegen Borrelien in ihrem Blut entdeckt. Sie haben eine Borreliose. Waren Sie in der letzten Zeit öfters im Freien?"
"Nein, ich bin nicht mit kurzen Hosen durchs Schilf gewatet und erinnere mich nicht daran, von einer Zecke angefallen worden zu sein." Seit Jahren schon nicht. Der letzte Zeckenüberfall muss etwa im Jahre 1978 oder 1979 gewesen sein. Damals saugte sich das Monster an meinem Ohrläppchen fest. Und was kann ich dagegen tun, frage ich die Frau vom Gesundheitsamt.
"Oh, das ist ganz schwierig. Eine Bekannte von mir hat auch Borreliose. Antibitiotika hat dagegen gar nichts genutzt, aber Heilerde hat ihr geholfen. Sie müssen da zu einem Spezialisten, aber da gibt es ganz wenige und die sind alle völlig ausgebucht. Einen Termin bekommen sie da ganz schwer."

Zuletzt bekomme ich den Rat, bei Google zu suchen. Das ist ein ausgesprochen toller Vorschlag. Beim Suchbegriff "Borreliose" landet man mit ziemlicher Sicherheit bei irgendwelchen Selbsthilfe-Irren, Angst-Neurotikern und Hypochonder-Zirkeln, die jede Phobie, jede depressive Anwandlung, grippalen Infekt, Menstruationsbeschwerden und Nagelbettentzündung als Folge der Borrelien-Infektion vermuten. Als Therapie buchen sie dann als Selbstzahler aufwendige Antibiotika-Kuren und ominöse Western-Blot-Tests, die ihre Nerven völlig zerrütten. Ich frage da lieber einen Fachmann, den Dr. B. Der ist zunächst nur entsetzt über soviel Dummheit am Telefon, meint, dass die Sache ziemlich harmlos ist und er bei diesen Antikörper-Werten erst einmal gar nichts zu tun würde. Der Arzt im Labor bestätigt ihm seine Auffassung. Merkwürdig findet er nur, dass diese Infektion meldepflichtig ist, obwohl sich doch niemand damit ansteckt. Vielleicht sollte ich kein Blut mehr spenden.

Der Dame vom Gesundheitsamt Tempelhof-Schöneberg kann ich ja einen Sack Heilerde senden mit dem Vermerk "Hat auch nichts genutzt". Patient: SSW802X.

1 Kommentar:

  1. Guten Tag, Herr Andryczuk
    ich bestätige den Eingang Ihrer Sendung Heilerde, vielen Dank. Besonders gerührt bin ich wegen des von Ihnen am Telefon wahrgenommenen "ein wenig verstörten" Blicks meinerseits. Ich muß gestehen, dass ich an jenem Tag unter extremen Menstruationsbeschwerden litt. Meine Bekannte wurde wegen eines ebensolchen Leidens inzwischen vom dienst suspendiert. Ich selbst bin seitdem neuerdings bis zu meinem 67. Lebensjahr von jeglichem Telefondienst befreit, um über behördliche Personalinterna keinen weiteren öffentlichen Einblick zu ermöglichen. Als Beamtin komme ich heute mit diesem Schreiben meiner Mitteilungspflicht nach: Meine Behörde vermutet, dass Sie nach unseren Ermittlungen möglicherweise doch an Borreliose erkrankten. Ihr Gesundsheitsamt sorgt sich um Sie. Bitte finden Sie sich am 1.4.2016 um 9.30 Uhr in unseren Amtsräumen zwecks Laborblutentnahme ein.
    Ich bedanke mich noch einmal für Ihre unglaublich ungewöhnliche Aufmerksamkeit. Wie schön wäre es doch, wenn sich unser nicht selten anstrengendes Clientel häufiger so interessiert unserer Arbeit zuwenden würden.
    Mit freundlichem Gruß

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